2. Von den nothwendigen Fehlern. Dieses Kapitel der aristotelischen Dichtkunst ist bisher noch am wenigsten commentiret worden. Ich nenne nothwendige Fehler solche, ohne welche vorzügliche Schönheiten nicht seyn würden, denen man nicht anders, als mit Verlust dieser Schönheiten abhelfen kann. So ist im Milton ein nothwendiger Fehler, der Gebrauch der Sprache in allem dem welten Umfange, welcher Kenntnisse voraussetzt, die Adam noch nicht haben konnte. Es ist wahr, Adam konnte so und so nicht reden, man konnte mit ihm so und so nicht reden: aber laßt ihn res den, wie er håtte reden müssen, so fällt zugleich das große vortreffliche Bild weg, welches der - Dichter seinen Lesern macht. Und es ist ohne strettig die höhere Absicht des Dichters, die Phantasie seiner Leser mit schönen und großen Bildern zu füllen, als überall adåquat zu seyn. 3. E. B. V. 388. von den Fahnen und Stans darten der Engel desgleichen gehören sets ne theologischen Fehler hieher, oder dasjenige, was mit den genauern Begriffen, die wir uns von den Geheimnissen der Religion zu machen haben, zu streiten scheinet, ohne welches er aber das in keiner uns sinnlich zu machenden Zeits folge hätte erzählen können, was vor der Zeit geschahe. 3. E. wenn er den Allmächtigen (B. V. 604.) zu seinen Engeln sagen läßt: This day I have begot whom I declare Heute mag hier immer heißen von Ewigs feit; Gott hatte den Sohn von Ewigkeit gezeus get; gut: aber dieser Sohn war doch nicht von Ewigkeit das, was er seyn sollte, oder er ward wenigstens nicht dafür erkannt. Es gab eine Zeit, da die Engel nichts von ihm wußten, da sie ihn nicht zur Rechten des Vaters saben, da er noch nicht für ihren Herrn erklärt war. Und das ist nach unserer Orthodoxie falsch. Will man sagen, Gott håtte bis dahin die Engel in der Unwissenheit von den Geheimnissen seiner Dreieinigkeit gelassen: so würden eine Menge abgeschmackte und unverdauliche Dinge daraus folgen. Die wahre Entschuldigung des Milton ist diese, daß er nothwendig diesen Fehler beges hen mußte, daß dieser Fehler auf keine Weise auszuweichen ist, wenn er das nach `einer uns verständlichen Zeitfolge erzählen will, was in keiner solchen Zettfolge geschehen ist. Soll die Ursache des Falles der bösen Engel thre Beneis dung der höhern Würde des Sohnes seyn, so muß man sich vorstellen, daß diese Beneidung eben so von Ewigkeit erfolgt, als die Geburt des Sohnes ic. Allein ich denke überhaupt, daß Milton eine bessere Ursache håtte erdenken sols len, als diese, welche nicht in der Schrift, sons dern nur bloß in den Vorstellungen einiger Kirs chenvåter gegründet ist. 3. Ueber eine Stelle aus Winkelmanns Geschichte der Künste, den Zenodorus betreffend. „Plinius, sagt Herr Winkelmann S. 396. ,,berichtet, daß man unter dem Nero nicht mehr ,,verstanden in Erz zu gießen, und er beruft fich auf die Colossalische Statue dieses Kaysers ,,vom Zenodorus, dem es bey aller seiner „Kunst in dieser Arbeit nicht gelingen wollen. „Es ist aber hieraus, wie Donati und Tardis ,,ni wollen, nicht zu schließen, daß diese Stas ,,tue von Marmor gewesen." Es ist gewiß, daß Donati und Tardini die Stelle des Plinius, auf die es hier ankommt, nicht verstanden und eine Unwahrheit daraus geschlossen haben. Aber auch Herr Winkelmann muß sie mit der gehörigen Aufmerksamkeit nicht erwogen haben, oder er håtte sich anders ausges drückt. Es soll dem Zenodorus mit dieser Stas tue nicht geglückt seyn? Wo sagt dieses Pliz nius? Er rühmt vielmehr von ihm, daß er in seiner Kunst keinem Alten nachzuseßen gewesen, daß sein Werk eine ungemeine Aehnlichkeit ges habt, daß er schon vorher seine Geschicklichkeit durch Gießung eines Colossalischen Merkurs bes währt. Und die Bewetteiferung der folgenden Kayser, dem Nero keinen Antheil der Ehre an dessen Statue zu lassen, sie der Sonne zu weis hen, den Neronischen Kopf mit Köpfen ihrer Bildung zu vertauschen, sie mit unermeßlicher Mühe von ihrem Orte wegbringen, und anderss wo aufrichten zu lassen: Was kann man anders daraus schließen, als daß es ein Werk von ganz besonderem Werthe gewesen seyn müsse? Plis nius sagt zwar: Ea ftatua indicavit interifle fundendi aeris fcientiam. Allein diese Worte find es eben, die man mißdeutet. Man findet ! |