Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]
[ocr errors]

Gegenstand war, wurde daher jetzt wieder unmit telbarer Gegenstand der Anschauung, ihre Erforschung ein wesentliches Object der Philosophie, und die Erfahrung, weil die Philosophie oder Erkenntnifs der Natur, als eines vom Geiste unterschiednen Wesens, keine unmittelbare, mit dem Geiste identische, sondern durch Versuche, sinnliche Wahrnehmung und Beobachtung, d.i. die Erfahrung bedingte und vermittelte Erkenntnifs ist, eine Sache der Philosophie selbst, eine allgemeine wesentliche Angelegenheit der denkenden Menschheit: *).

[blocks in formation]
[ocr errors]
[ocr errors]

Die Naturerforschungswissenschaften bekamen erst in neurer Zeit welthistorische Bedeutung, wurden erst in ihr allgemeine Sache der Menschheit, und producirten aus sich eine zusammenhängende Geschichte eine fortlaufende Reihe von qualitativ das Gebiet der Erfahrung bereichernden Entdeckungen und Erfindungen. Eine Sache tritt aber nur dann erst in welthistorische Bedeutung und Wirksamkeit, wird erst dann mit wahrem Erfolge betrieben, und bringt erst dann eine zusammenhängende, qualitativ fortschreitende, mit innerer Nothwendigkeit vor sich gehende Geschichte hervor, wenn sie ein obj e ctives Weltprincip zu ihrem Grunde hat, denn nur dann ist sie nothwendig, und diese objective Nothwendigkeit allein ist der Grund, dafs sié in productiver, frucht- und erfolgreicher Entwicklung fortschreitet, eben weil sie nicht von blos subjectiven Bestrebungen und' particulären Neigungen

[ocr errors]

*) Die ersten eigentlichen Anfänge der neuern Philosophie liegen daher auch in den naturphilosophischen Anschauungen der Italiener Cardanus, Bernardinus Telesius, Franz Patritius, Jordano Bruno, der die Anschauung der Natur in ihrer göttlichen Fülle und Unendlichkeit auf die geistreichste und bestimmteste Weise aussprach.

[ocr errors]

ausgeht und abhängt. Dieses objective Geistes- und Weltprincip der neuern Zeit, in dem die Nothwendigkeit und der Grund der neuern Erfahrungswis senschaften lag, war aber im Allgemeinen kein andres, als eben der zur Selbstständigkeit und zum freien Selbstbewusstsein gelangte denkende Geist.

Die Erfahrung (im Sinne wissenschaftlicher Erfahrung, nicht im Sinne der Erfahrung, die eins mit dem Leben, Erleben ist) ist nämlich nicht, wie man es sich bisweilen vorzustellen pflegt, ein unmittelbar sich von sich selbst ergebender und verstehender, kein kindlicher und unbefangner Standpunkt, und eben so wenig ein anfänglicher, ursprünglicher, durch sich selbst begründeter, sondern wesentlich ein von einem höhern Standpunkte, als die Erfahrung selbst ist, abhängiger, ein bestimmtes Geistes princip als seinen Grund voraussetzender Standpunkt. Der Standpunkt der Erfahrung setzt, wie sich von selbst versteht, zunächst den Trieb voraus, die Natur erkennen und ergründen zu wollen, ein Trieb, der selbst wieder hervor geht aus dem Bewusstsein über den Zwiespalt von Sein und Schein, aus dem Zweifel, dafs die Dinge so sind, wie sie erscheinen, dafs das Wesen der Natur so gerade zu und ohne Weiteres bei der Hand ist, und in die Sinne fällt. Ferner setzt dieser Standpunkt voraus ein Selbstständigkeitsgefühl, ein unabhängiges Selbstbewusstsein des Individuums, eine Losreifsung von Autorität und Autoritätsglauben, kurz er setzt Scepsis voraus; daher auch die Anfänger der neuern Philosophie, Bacon und Cartesius, mit ihr anhuben, jener, indem er zur, Bedingung der Naturerkenntnifs die Abstraktion von allen Vorurtheilen und vorgefafsten Meinungen macht, dieser in seiner Forderung, dafs man im Anfange an Allem zweifeln müsse. Dieses kräftige Selbst

"

[ocr errors]

gefühl, dieses Unabhängigkeitsbewusstsein und diese Scepsis setzen aber selbst wieder voraus, dafs der Geist im Menschen und mit ihm das menschliche Individuum sich für sich selbst,, sich selbstständiguerfafst, und zwar im Unterschiede von der Natur sein Bewusstsein erfafst, dafs der Geist eben diesen seinen Unterschied von der Natur als sein Wesen erkennt, und in dieser Unterscheidung wie sich, so die Natur zum wesenhaften Objecte seines Denkens macht. Nur auf den Grund dieses Processes hat der Mensch erst wahrhaftes Interesse, Trieb und Lust, erfahrend und erforschend an die Natur zu gehen, denn eben in dieser Unterscheidung frappirt ihn erst der Anblick der Natur, wie den Jüngling der Anblick der Jungfrau; wenn er in das Bewusstsein des Unterschieds gekommen ist, ergreift ihn erst der unwiderstehliche Trieb und Reiz, sie zu erkennen, und wird die Erkenntnifs der Natur sein höchstes Interesse..

Der Standpunkt der Erfahrung setzt daher, wie sich in der Darstellung des Cartesius zeigen wird, als seinen Grund das Geistesprincip voraus, das auf bestimmte, wenn gleich noch einfache, höchst unvollkommne und subjective Weise in Cartesius sich aussprach, und vor das denkende Bewufstsein des Menschen gebracht wurde *). Der geistige, der mittelbare Vater der neuern, Naturwissenschaft ist daher Cartesius. Denn Bacon, obwohl er etwas früher ist und in einem sinnlich und sichtbar näherem Zusammenhang mit dem Standpunkt der Erfahrung, in einer augenscheinlicheren Beziehung zu ihm steht, setzt doch dem Wesen nach das Princip des selbstbewussten, sich im Unterschiede von

*Es wäre ein lächerlicher Schlufs, wenn man aus dieser Behauptung etwa folgern wollte Also waren alle Physiker Cartesianer, also mufsten die Physiker sammt und sonders erst den Cartesius studirt haben.

der Natur erfassenden und sie als sein wesentliches Object sich gegenübersetzenden Geistes, also das Princip voraus, das als solches Cartesius zuerst zum Objecte der Philosophie machte. Der unmittelbare oder sinnliche Vater der neuern Naturwissenschaften ist Bacon, denn in ihm machte sich das Bedürfnifs und die Nothwendigkeit der Erfahrung rein für sich und unbedingt geltend, und sprach sich zuerst das Princip der Erfahrung als Methode, Organon oder Anweisung zu einer erfolgreichen Erfahrung mit rücksichtsloser Strenge aus *).

*) Wenn Bacon und Cartesius Väter der neuern Naturwissenschaften genannt werden, so ist dieses natürlich nur so zu verstehen, dafs der Geist, der gemeinschaftlich in der neuern Zeit die verschiedensten Individuen ergriff, aus und in dem alle zusammen nur Ein Ziel und Ein Object erstrebten, der Geist des Denkens und der Naturerforschung, der in Patritius, Cardanus, Copernikus, Gilbert, Jordano Bruno zum Durch- und Ausbruch gekommen war, in Galiläo Galiläi die Gesetze des freien Falls der Körper, in Johann Kepler die Gesetze der Planetenbahnen entdeckte, kurz dafs derselbe allgemeine Geist, der schon vor C. und B., gleichzeitig mit ihnen und nach ihnen in den verschiedensten Individuen auf diese oder jene besondere Art und Weisé, in der Erforschung und Erkenntnifs einer besondern Materie sich verwirklichte und geltend machte, sich in ihnen auf allgemeine Weise Dasein gab, als allgemeines Princip und allgemeine Nothwendigkeit sich aussprach.

J

[ocr errors][merged small][merged small]

Das Leben Franz Bacon's von Verulam.

Franz Bacon, Sohn Nicolaus Bacon's, Grofssiegelbewahrers von England, wurde 1561 den 22. Januar geboren. Schon in seiner frühsten Jugend gab er Beweise von seinen grofsen Talenten. Im 12. Jahre seines Lebens ging er auf die Universität Cambridge, und schon im 16. fing er an, die Mängel und Unvollkommenheiten der damals noch allgemein herrschenden scholastischen Schulweisheit einzusehen. Offenbar war es diese frühe Reife seines Verstandes, die seinen Vater bewog, ihn ungeachtet seiner Jugend mit dem damaligen englischen Gesandten in Paris an diesen Ort zu schicken. Während des Aufenthalts daselbst verfertigte oder entwarf er wenigstens, damals 19 Jahre alt, seine Beobachtungen über den Zustand von Europa. Der unerwartete Tod seines Vaters nöthigte ihn aber, nach England zurückzukehren und sich zu seinem Lebensunterhalte auf das Studium des vaterländischen Rechtes zu legen. Er begab sich defswegen in das Collegium Gray's Inn, wo er dieses Studium mit grofsem Fleifse und seinen Talenten entsprechendem Erfolge betrieb, ohne darüber jedoch die Philosophie zu vergessen; vielmehr fafste er daselbst schon in den ersten Jahren seines Rechtsstudiums den Plan

« PreviousContinue »